Wie viel ist mein Unternehmen wert? Spätestens wenn ein Verkauf ansteht, wird es notwendig, den Firmenwert zu ermitteln. Eine der wichtigsten Bewertungsmethoden ist das Ertragswertverfahren. Dieses orientiert sich am möglichen, künftigen Rohertrag und Jahresreinertrag des Unternehmens. In diesem Ratgeber zeigen wir dir, wie das Ertragswertverfahren funktioniert, wie du den Ertragswert berechnest und wann dieses Bewertungsverfahren die richtige Wahl für dich ist.
Was ist das Ertragswertverfahren?
Das Ertragswertverfahren ist eine der wichtigsten Methoden zur Unternehmensbewertung. Es rückt die zukünftigen Erträge des Unternehmens in den Fokus. Das Verfahren beruht auf der Annahme, dass der Wert eines Unternehmens dadurch bestimmt wird, in welcher Höhe es in Zukunft Gewinne erzielen kann.
Um den Ertragswert zu berechnen, prognostizierst du zunächst den zukünftigen Rohertrag. Dabei beziehst du die Marktbedingungen, den Wettbewerb und weitere Faktoren ein. Dann ziehst du die Betriebsausgaben ab, um vom Rohertrag zum Reinertrag zu gelangen. Um einen realistischen Unternehmenswert zu erhalten, zinst du diesen Reinertrag mit einem Kapitalisierungszins ab. Die Höhe dieses Zinssatzes variiert in Abhängigkeit von den für dein Unternehmen relevanten Risiken und Chancen.
Das Ertragswertverfahren ist eine gute Wahl für eine Vielzahl von Situationen. Insbesondere für den Kauf und Verkauf von Unternehmen sowie für Fusionen und Unternehmensübernahmen kommt die Ertragswertberechnung häufig zum Einsatz, um einen marktüblichen, erzielbaren Preis festzulegen.
Jahresrohertrag vs. Jahresreinertrag - Was ist der Unterschied?
Der Unterschied zwischen Jahresrohertrag und Jahresreinertrag liegt in der Stufe der Gewinnermittlung. Der Rohertrag ist der Bruttoertrag eines Jahres, ehe die Betriebskosten abgezogen wurden. Der Jahresreinertrag hingegen ist der Rohertrag abzüglich aller angefallenen Kosten.
Netto- vs. Bruttoverfahren
Innerhalb des Ertragswertverfahrens unterscheiden wir das Netto- und Bruttoverfahren, je nachdem, wie die einzelnen an der Berechnung beteiligten Werte angesetzt werden:
Das Nettoverfahren nutzt du beispielsweise, wenn du den tatsächlichen Wert oder den wirtschaftlichen Nutzen deines Unternehmens nach allen Abzügen bewerten möchtest. Das Bruttoverfahren hingegen spielt eine Rolle bei der Gesamtunternehmensbewertung oder in steuerlichen Bewertungsfragen.
Wann kommt das Ertragswertverfahren zum Einsatz?
Das Ertragswertverfahren wird in zahlreichen Situationen zur Unternehmensbewertung und Ermittlung des Jahresrohertrags eingesetzt, zum Beispiel:
- Kauf und Verkauf von Unternehmen (z. B. Preisermittlung bei Fusionen und Übernahmen)
- Börsengang (zur Berechnung des inneren Werts und zur Definition des Ausgabepreises der Aktien)
- Kreditvergabe (Ermittlung des Investitionsrisikos aus Sicht der Bank)
- Rechtsstreitigkeiten (objektive Wertermittlung eines Unternehmens im Rahmen von Erbstreitigkeiten oder einer Scheidung)
- Umstrukturierung (Wertermittlung etwa im Rahmen einer Unternehmenssanierung)
- Bewertung von Joint Ventures (Berechnung des jeweiligen Wertbeitrags der Partnerunternehmen)
- Suche nach Investoren (Ermittlung der Grundlage für die Unternehmensbewertung durch Investoren)
Die Ertragswertberechnung spielt eine große Rolle für die Bewertung von Unternehmen, die kein großes materielles Vermögen besitzen. Unternehmen, die ihre Erträge vorwiegend auf der Basis immaterieller Vermögenswerte (wie Patente oder Lizenzen) erwirtschaften, würden etwa mit dem Substanzwertverfahren stark unterbewertet. Das Substanzwertverfahren bewertet Unternehmen basierend auf ihrem materiellen Vermögen, also auf physischen Werten wie Immobilien, Maschinen und Ausstattungen.
Formen des Ertragswertverfahrens
Je nach der Berechnung und der Ausrichtung lassen sich verschiedene Arten des Ertragswertverfahrens unterscheiden:
- Klassisches Ertragswertverfahren: Der aktuelle Wert des Unternehmens ergibt sich aus den zukünftigen, erzielbaren Erträgen, die abgezinst werden. Abzinsen bedeutet, den heutigen Wert eines zukünftigen Betrags zu berechnen, indem man den Wertverlust des Geldes über die Zeit berechnet. Zur Abzinsung auf den Barwert wird ein Kapitalisierungszinssatz verwendet, der die unternehmensspezifischen Risiken berücksichtigt. Diese Form des Ertragswerts beruht auf intensiven Analysen der Markt- und Unternehmensbedingungen und betont die zukunftsgerichtete Ertragsprognose. Der klassische Ertragswert eignet sich als Bewertungsmethode für Fusionen, Übernahmen und Investitionsentscheidungen.
- Vereinfachtes Ertragswertverfahren: Bei diesem vereinfachten Verfahren arbeitet man nicht mit detaillierten Zahlen, sondern mit Schätzungen und standardisierten Annahmen für den Kapitalisierungszinssatz. Hierfür werden oft Durchschnittszahlen oder Ertragswerte aus der Vergangenheit herangezogen. Das Verfahren ist einfach anzuwenden und nimmt nicht viel Zeit in Anspruch. Es ist jedoch aufgrund einer gewissen Ungenauigkeit nur für kleinere Unternehmen geeignet sowie immer dann, wenn eine schnelle, überschlägige Bewertung ausreichend ist.
- Steuerliches Ertragswertverfahren: Dieses standardisierte Verfahren gemäß Bewertungsgesetz mit festgelegten Vorgaben für den Kapitalisierungszinssatz ist immer dann anzuwenden, wenn du bestimmte steuerliche Verpflichtungen erfüllen musst. Das ist beispielsweise bei der steuerlichen Beurteilung einer Schenkung erforderlich oder wenn du ein Unternehmen (ver)erbst.
Was ist die „ewige Rente“?
Bei der ewigen Rente unterstellt man, dass das Unternehmen ab heute für immer jedes Jahr denselben Überschuss erwirtschaften würde. Dieser Betrag wird mit einem bestimmten Zinssatz abgezinst. Dadurch entsteht die sogenannte ewige Rente. Sie wird nach dieser Formel berechnet:
Ewige Rente = nachhaltiger Jahresertrag : Kapitalisierungszinsfuß
Die ewige Rente ist ein vereinfachter Spezialfall des Ertragswertverfahrens, der zur Unternehmensbewertung eingesetzt wird. Sie wird verwendet, wenn das Unternehmen als dauerhaft fortbestehend angenommen wird und sich die Erträge in Zukunft nicht wesentlich verändern – zum Beispiel bei stabilen, etablierten Unternehmen ohne starkes Wachstum.
Der Kapitalisierungszinsfuß (auch Diskontierungszins genannt) spiegelt das Risiko und die Alternativrendite für Investoren wider – je höher das Risiko, desto höher der Zinssatz und desto niedriger der Ertragswert.
Die Betrachtung der ewigen Rente berücksichtigt allerdings kein Unternehmenswachstum. Sinnvoll ist sie, wenn die Erträge relativ konstant sind und ein realistischer Kapitalisierungszinsfuß gewählt wird.
Wie wird der Ertragswert berechnet?
Die Berechnung des Ertragswerts ist nicht ganz einfach und erfolgt daher in mehreren Schritten. Wir zeigen dir, welche Rechengrößen dabei eine Rolle spielen und wie du genau vorgehst.
1. Schritt: Berechne die Kosten und Aufwendungen
Identifiziere alle relevanten Kosten und Aufwendungen. Analysiere die Betriebs-, Material- und Personalkosten sowie weitere Betriebsausgaben (z. B. Verwaltungskosten), die in Zukunft relevant sein könnten. Die Basis für die Berechnung sind die historischen Kostenstrukturen deines Unternehmens. Diese kannst du allerdings anhand erwarteter Veränderungen (z. B. Inflation) bereinigen.
Zudem solltest du Investitionen und eine möglicherweise in Zukunft veränderte Steuerbelastung einbeziehen. Betriebs- und periodenfremde sowie außerordentliche Erträge und Aufwendungen solltest du herausrechnen, da sie das Ergebnis verfälschen könnten.
2. Schritt: Ermittle die zukünftigen Gewinne der nächsten 3 bis 5 Jahre
Nun musst du die zukünftigen Gewinne deines Unternehmens schätzen. Grundlage hierfür sind die bestehenden Zahlen aus den letzten Jahren. Berücksichtige dabei die Umsätze, Kosten und Gewinne. Um diese Zahlen möglichst korrekt in die Zukunft fortzuschreiben, kannst du weitere Faktoren einbeziehen. Dazu gehören etwa:
- Marktprognosen – schrumpft der Markt eher oder ist er im Wachstum begriffen?
- Wirtschaftswachstum – wie sieht die aktuelle Wirtschaftslage in Deutschland und in der EU aus?
- Inflation – könnte eine Inflation Kostensteigerungen bedingen?
- Entwicklungen in der Branche – gibt es Faktoren, die die Branche verändern könnten (z. B. gesetzliche Veränderungen)?
Um die Gewinne für die kommenden Jahre zu prognostizieren, solltest du auch einen Blick auf Marktanalysen, Wirtschaftsstudien und Expertenmeinungen werfen. Betrachte einen Zeithorizont von etwa drei bis fünf Jahren.
Tipp: Wenn du deine Buchhaltung mit einer professionellen Software auf eine sichere Basis stellst, hast du das nötige Zahlenmaterial für die Ertragswertberechnung (z. B. Reinertrag) stets zur Hand. Nutze die sevdesk Buchhaltungssoftware für KMU, um deine Einnahmen und Ausgaben einfach zu erfassen. Jetzt kostenlos testen!
3. Schritt: Bestimme den Kapitalisierungszinssatz
Der Kapitalisierungszinssatz spiegelt die Risiken deines Unternehmens in den kommenden Jahren wider und sagt etwas über die Rendite deiner Investition aus. Der Kapitalisierungszinssatz besteht aus einem risikofreien Zinssatz (für eine langfristige, fest angelegte Geldanlage) und einem Risikozuschlag für die unternehmensspezifischen Risiken von etwa 3 bis 4 Prozent. Er entspricht dem Zins, den du anderweitig bekommen würdest, wenn du dein Geld nicht in dein Unternehmen investieren, sondern am Finanzmarkt anlegen würdest.
4. Schritt: Berechne den Unternehmenswert
Mit den bereits ermittelten Zahlen kannst du jetzt den Unternehmenswert berechnen. Dafür verwendest du diese Formel:
Ertragswert = Zukünftige Gewinne : Kapitalisierungszinssatz
Mit dieser Formel zinst du die geschätzten Gewinne der nächsten Jahre auf den heutigen Wert ab. So ermittelst du den Barwert der zukünftigen Gewinne, der als Grundlage für den Ertragswert deines Unternehmens dient.
Um den Gesamtwert zu berechnen, subtrahierst du vom Ertragswert die bestehenden Verbindlichkeiten und Schulden.
5. Schritt: Verstehe die Ergebnisse und nutze sie richtig
Der Ertragswert gibt dir einen klaren Überblick über deine Finanzen und den Wert deines Unternehmens. Er kann dir bei strategischen Entscheidungen eine wichtige Hilfe sein, etwa wenn es darum geht, Investitionen zu tätigen, das Unternehmen zu einem marktüblichen Preis zu verkaufen oder es mit anderen Betrieben zu verschmelzen.
Die Zahlen können auf den ersten Blick beeindruckend sein. Interpretiere sie aber immer vor dem Hintergrund der Besonderheiten deiner Branche und möglicher Entwicklungen des Marktes. Nur so kannst du fundierte Geschäftsentscheidungen treffen und Fehlentscheidungen vermeiden.
Beispiel für die Berechnung des Unternehmenswerts mit dem Ertragswertverfahren
Wie lässt sich nun der Ertragswert konkret berechnen? Unser Berechnungsbeispiel zeigt dir, wie du vorgehst.
Beispiel: Die SynComp GmbH erzielte in den vergangenen Jahren recht konstant einen Umsatz von 800.000 Euro. Dem stehen Betriebsausgaben von 300.000 Euro gegenüber. Um den Ertragswert zu berechnen, führt der Geschäftsführer diese Schritte aus:
- Basierend auf den Vergangenheitswerten rechnet er auch für die kommenden Jahre mit einem Gewinn von 500.000 Euro pro Jahr. Das Geschäft mit Computern ist stabil und in den kommenden Jahren ist nicht mit einem rückläufigen Geschäft zu rechnen.
- Der Kapitalisierungszinssatz wird aufgrund des überschaubaren Risikos mit 8 Prozent festgelegt.
- Der Ertragswert wird anhand der Formel errechnet:
Ertragswert = Zukünftige Gewinne : Kapitalisierungszinssatz
Ertragswert = 500.000 Euro : 0,08 = 6.250.000 Euro
Das Unternehmen ist nach dem Ertragswertverfahren zum aktuellen Zeitpunkt 6,25 Mio. Euro wert.
Vor- und Nachteile des Ertragswertverfahrens
Nicht umsonst gehört das Ertragswertverfahren zu den am häufigsten eingesetzten Bewertungsmethoden. Es hat viele Vorteile. Dennoch gibt es auch Grenzen, die du kennen solltest. Unsere Übersicht zeigt dir, was du wissen musst:
Alternative Methoden zur Unternehmensbewertung
Das Ertragswertverfahren hat in der Unternehmensbewertung eine große Bedeutung. Je nach Situation kann es aber sinnvoll sein, auf andere Methoden zur Ermittlung des Unternehmenswerts zurückzugreifen. Beim Substanzwertverfahren steht nicht der Jahresreinertrag im Fokus der Betrachtung, sondern die physischen Vermögenswerte. Es ist für Unternehmen geeignet, bei denen die materiellen Vermögensgegenstände den größten Teil des Gesamtwertes ausmachen.
Beim Multiplikatorverfahren hingegen berechnet man den Unternehmenswert mit der Hilfe von Branchenkennzahlen. Man bestimmt eine Bewertungskennzahl, die mit einem entsprechenden Multiplikator multipliziert wird. Das Verfahren ist durch die Multiplikation einfach zu handhaben und stellt eine gute Vergleichbarkeit her. Die Discounted-Cashflow-Methode hingegen konzentriert sich auf die prognostizierten Cashflows. Ähnlich wie beim Ertragswertverfahren werden diese auf den heutigen Wert abgezinst. Auch dieses Verfahren kommt bei Unternehmen zum Einsatz, bei denen die Cashflows relativ stabil und somit gut prognostizierbar sind.
Finanz-Kennzahlen im Blick mit sevdesk
Eine ordentliche Buchführung erleichtert es dir, Bewertungsmethoden wie das Ertragswertverfahren zur Ermittlung des Jahresrohertrags und des Jahresreinertrags anzuwenden. So hast du alle benötigten Daten zur Hand, um korrekte Prognosen über deine zukünftigen Erträge anzustellen. Präzise Finanzdaten gewährleisten, dass du alle Positionen korrekt erfasst und keine Einkünfte oder Ausgaben bei der Ertragswertberechnung übersiehst.
Hier kommt die sevdesk-Buchhaltungssoftware ins Spiel. Indem du regelmäßig deine Einnahmen und Ausgaben auf Knopfdruck erfasst, behältst du stets den Überblick über deine Finanzen. Du brauchst aktuelles Zahlenmaterial für die Ermittlung des Rohertrags? Die Auswertungen unserer Software sind die ideale Basis für deine Ertragswertberechnung. Teste jetzt kostenlos die Buchhaltungssoftware von sevdesk.
Zusammenfassung zum Ertragswertverfahren
Das Ertragswertverfahren ist eine der zentralen Methoden für die Unternehmensbewertung. Es ermöglicht dir, den Unternehmenswert anhand der in Zukunft zu erwartenden Erträge zu bestimmen. Bei der Berechnung schätzt du den künftigen Jahresreinertrag und zinst ihn auf den momentanen Zeitpunkt ab. Verwende das Ertragswertverfahren etwa, um Entscheidungen über Investitionen zu treffen oder den Wert deines Unternehmens für einen anstehenden Verkauf einzuschätzen.