1. Die verpflichtende E-Rechnung kommt
Am 17.11.2023 verabschiedete der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz). Gegenwärtig steht die Zustimmung des Bundesrates zwar noch aus. Allerdings sind keine wesentlichen Änderungen hinsichtlich der verpflichtenden E-Rechnung im B2B-Bereich zu erwarten. So soll die E-Rechnung der gesetzliche Standard werden, sofern in Deutschland ansässige Unternehmer untereinander steuerpflichtige Leistungen erbringen. Ausnahmen gelten lediglich für Kleinbetragsrechnungen und Fahrausweise.
Als E-Rechnungen gelten künftig nur Rechnungen, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen werden und eine elektronische Verarbeitung ermöglichen. Konkret sieht das Wachstumschancengesetz vor, dass das elektronische Format der europäischen Norm für die elektronische Rechnungsstellung und der Liste der entsprechenden Syntaxen gemäß der Richtlinie 2014/55/EU entsprechen muss. Die Richtlinie 2014/55/EU bildet lediglich die Rechtsgrundlage für die Schaffung einer europäischen Norm, die bereits in Form der EN 16931 existiert. Die Neufassung des § 14 Abs. 1 UStG sieht darüber hinaus vor, dass auch andere elektronische Formate verwendet werden können, wenn dieses Format zuvor zwischen den Parteien vereinbart wurde und insbesondere die korrekte und vollständige Extraktion der nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben aus der elektronischen Rechnung in einem Format ermöglicht, das der Norm EN 16931 entspricht oder mit dieser interoperabel ist.
Im Zentrum der E-Rechnung steht also die europäische Norm für die elektronische Rechnungsstellung EN 16931. Es ist somit an der Zeit, sich mit der EN 16931 und dem, was sich konkret dahinter verbirgt, auseinanderzusetzen.
Was sich durch das Wachstumschancengesetz ferner betreffend der E-Rechnung ändert und was die EU-Initiative VAT in the Digital Age damit zu tun, können Sie hier ausführlich nachlesen.
2. Was ist die EN 16931?
Die Europäische Norm für die elektronische Rechnungsstellung EN 16931 wurde vom Europäischen Komitee für Normung (CEN) im Auftrag der Europäischen Kommission entwickelt und veröffentlicht. Die EN 16931 wurde notwendig, weil im öffentlichen Beschaffungswesen innerhalb der EU gleiche Wettbewerbsbedingungen herrschen sollen, wenn Aufträge der öffentlichen Hand EU-weit ausgeschrieben werden. Dementsprechend sollten EU-Unternehmen nicht durch nationale Rechnungsstandards benachteiligt werden und stattdessen ein EU-einheitlicher Rechnungsstandard, nämlich die EN 16931, vorherrschend sein. Deutsche Ausprägungen der EN 16931 sind schon heute die XRechnung und das ZUGFeRD-Format. Entsprechend ist der künftige Rechnungsstandard schon heute bekannt und vor allem nutzbar.
Die aktuelle Praxis zeigt ferner, dass ein gesetzlich verankerter Standard notwendig ist. Oft stützt sich die Rechnungserfassung auf Optical Character Recognition (OCR)-Technologien, um Informationen aus einer Papierrechnung oder PDF-Rechnung zu digitalisieren, um diese z.B. für die Buchhaltung aufzubereiten. Allerdings ist diese Methode nicht frei von Herausforderungen. Die Genauigkeit von OCR-Technologien kann je nach Qualität des gescannten Dokuments und der Komplexität des Layouts variieren. Ungenauigkeiten bei der Texterkennung führen dazu, dass Informationen nicht korrekt extrahiert werden. Dies wiederum erfordert aufwändige manuelle Überprüfungen und Korrekturen. Um aufwendige OCR-Scans für Papierrechnungen und PDF-Rechnungen zu vermeiden, musste daher ein strukturiertes elektronisches Format wie die EN 16931 geschaffen werden.
In der Vergangenheit hatten sich daneben in bestimmten Branchen andere Rechnungsstandards etabliert. Besonders bekannt ist hierbei der Electronic Data Interchange Standard (kurz: EDI-Standard). Bei EDI handelt es sich allerdings um keinen gesetzlichen Standard, sondern um einen den die Parteien vertraglich vereinbaren können.
2.1 Wie sieht eine elektronische Rechnung nach EN 16931 aus?
Der Vorteil eines Rechnungsstandards liegt in seiner Verbindlichkeit für alle Beteiligten. Eine Rechnung, die auf einem standardisierten elektronischen Format beruht, ist datentechnisch immer gleich aufgebaut. Dies lässt sich am besten am Beispiel des E-Mail-Standards verdeutlichen. Unabhängig von der eingesetzten E-Mail-Software (z.B. Google Gmail, Microsoft Outlook) können diese Programme E-Mails untereinander versenden, empfangen und verarbeiten, da alle Programme denselben E-Mail-Standard verwenden. Das Gleiche soll nun analog mit einem Rechnungsstandard erreicht werden, wie er sich nach EN 16931 ergibt.
Hierzu gibt die EN 16931 sowohl ein semantisches Datenmodell als auch kompatible Syntaxen vor. Beide Bestandteile beschreiben, wie ein Datensatz, sprich die Rechnung, aufgebaut sein muss, um der EN 16931 zu entsprechen. Das semantische Datenmodell der EN 16931 gibt eine festgelegte Reihenfolge vor, an welcher Stelle im Datensatz welche Information in welchem spezifischen Datentyp stehen muss. In einer Rechnung nach EN 16931 steht – vereinfacht gesagt – im Datensatz an erster Stelle die Rechnungsnummer, gefolgt vom Rechnungsdatum und an dritter Stelle der Rechnungstyp usw. Die EN 16931 schreibt ebenfalls vor, dass spezifische Datentypen für die genannten Datenfelder verwendet werden müssen, um sicherzustellen, dass die Informationen einheitlich und eindeutig dargestellt werden. Zum Beispiel steht im BT-1 die Rechnungsnummer (Datentyp 'Kennung'), im BT-2 das Rechnungsdatum (Datentyp 'Datum') und im BT-3 der Code des Rechnungstyps (Datentyp 'Code') usw. (siehe Tabelle 1).
Tabelle 1: Stark vereinfachte Darstellung des semantischen Datenmodells nach EN 16931
So wird sichergestellt, dass etwa Datumsangaben einheitlich dargestellt werden. Ohne entsprechende Vorgabe könnte der Rechnungssteller erneut irgendein Datumsformat wählen, z.B. 01.03.2024 oder 1. März 2024 oder 03/01/2024 usw. Entsprechend werden Datenfelder nicht nur hinsichtlich ihrer Position, sondern auch hinsichtlich ihrer Darstellungsform vorgegeben. Ein Traum für jeden Datenanalysten und Automatisierungsfanatiker.
Der Begriff Syntax bezeichnet schließlich in maschinenlesbaren Sprachen oder deren Dialekten die Regeln zur Abbildung von Informationselementen in einem elektronischen Dokument. Das semantische Datenmodell definiert, welche Informationen dargestellt werden sollen. Die Syntax legt fest, wie diese Informationen strukturiert und kodiert werden, um von Computersystemen als Teil eines Datenstroms identifiziert und verarbeitet zu werden. Vereinfacht ausgedrückt, entspricht die Syntax der Grammatik und das semantische Datenmodell dem Wortschatz. Sofern Ihr EDI-Rechnungen verwenden solltet, sei hier erwähnt, dass EDI-Rechnungen regelmäßig die Syntax UN/EDIFACT verwenden, die keiner EN 16931 kompatiblen Syntax entspricht.
2.2 Sind PDF-Rechnungen mit EN 16931 kompatibel?
Ob PDF-Rechnungen mit der EN 16931 kompatibel sind, hängt davon ab, wie das PDF erstellt wurde. Zunächst einmal ist eine PDF-Rechnung nach heutigem Verständnis, also vor dem Wachstumschancengesetz, eine elektronische Rechnung. Dies hängt mit den derzeit geringen Anforderungen an diese zusammen, wonach jedes elektronische Format ausreicht. Zukünftig wird das Umsatzsteuergesetz jedoch ein strukturiertes elektronisches Format vorschreiben. Dieses gibt z.B. die EN 16931, wie oben dargestellt, vor. In einem PDF können natürlich alle notwendigen Informationen enthalten sein, die die EN 16931 vorgibt. Eine PDF-Rechnung erfüllt jedoch regelmäßig eine bestimmte Anforderung nicht. Eine PDF-Rechnung ist nämlich kein strukturierter Datensatz, d.h. es genügt nicht, dass die Informationen auf der Rechnung vorhanden sind, sondern sie müssen so strukturiert aufgebaut und dargestellt sein, dass die Informationen unmittelbar maschinell ausgelesen werden können. Denn ein elektronisches Format (.pdf) bildet noch keinen strukturierten Datensatz. Ist das nun das Ende von PDF-Rechnungen?
Strukturierte Datensätze schön und gut, aber die PDF-Rechnung hat trotzdem nicht vollends ausgedient. Für das menschliche Auge sind strukturierte Datensätze im wahrsten Sinne des Wortes nicht sonderlich ansehnlich (Abbildung 1). Aus diesem Grund gibt es das sogenannte ZUGFeRD-Format, welches als hybrides Format sowohl den vorgeschriebenen strukturierten Datensatz nach EN 16931 als auch eine PDF enthält, die lediglich für das menschliche Auge bestimmt ist. Best of both worlds.
3. Datenqualität von E-Rechnungen nach EN 16931
Wir wissen nun, dass ein strukturiertes elektronisches Format wie die EN 16931 vorgibt, an welcher Stelle welche Informationen in einem Datensatz wie dargestellt werden müssen. Nachfolgend soll nun gezeigt werden, wie die steuerliche Datenqualität der EN 16931 ist und welche Möglichkeiten sich hierfür für Steuerberater ergeben. Hierzu zeigen wir exemplarisch am Datenfeld „Rechnungstyp“, auf welche Datenqualität Sie sich als Steuerberater künftig freuen dürfen.
In Tabelle 1 hatten wir den Aufbau von EN 16931 bereits stark vereinfacht dargestellt. An dritter Stelle im Datensatz muss der Rechnungstyp mit einem bestimmten Code angegeben werden, der sich aus einer bestimmten Liste namens UNTDID 1001 ergibt. Im Datensatz selbst steht nun lediglich die Ziffer „380“, die repräsentativ für einen bestimmten Rechnungstyp steht (Abb. 2).
Die Ziffer „380“ im Datenfeld Rechnungstyp zeigt hier an, dass es sich um eine „Commercial Invoice“, also eine Handelsrechnung handelt. Die UNTDID 1001 enthält aber auch viele andere Rechnungstypen, die in Tabelle 2 beispielhaft dargestellt sind.